15.05.11

Die genderunsensiblen Hirsche

Wer kennt das nicht? Man freut sich auf den Besuch im Nationalpark, um etwas über Tiere und die Natur zu erfahren. Ein entspannter Ausflug, bei dem man auch noch etwas lernen kann. Doch leider wird man von der grausamen und nicht gendersensiblen Realität eingeholt: Plötzlich erfahre ich, dass es ein Brunftverhalten von Hirschen gibt und es da nicht gerade zimperlich zugeht: die männlichen Kontrahenten tragen oft Kämpfe mit ihren Eckzähnen und oder ihrem Geweih aus und der Sieger wird der neue Pascha der Herde, der Begatter aller anderen Weibchen.

Einfach nur scheußlich. Wen ich in den Nationalpark gehe, will ich die schreckliche Welt da draußen hinter mir lassen und etwas von der freundlichen und perfekten Natur, den in Harmonie lebenden Tieren zu erfahren. Aber auch dort geht es um Konkurrenz, Feindschaft und dem widerlichen Patriarchat. Die 68er-Bewegung und die ungemein unentbehrlichen Gender-Professorinnen und Genderwissenschaftlerinnen haben bereits vieles erreicht: Homosexuelle dürfen Kinder adoptieren, diskriminierende Wörter wie Vater und Mutter werden nicht mehr verwendet (Elternteil 1, Elternteil 2) und die Schüler erfahren endlich, dass sie sich ihr Geschlecht aussuchen können. Doch noch immer gibt es in der Gesellschaft barbarische Traditionen, die Unterdrückung von Frauen und eben auch Konkurrenzverhalten von männlichen Artgenossen. Zwar werden sie meistens nicht mit Gewalt ausgetragen, aber wer die Duplo-Werbung) kennt, weiß von was ich spreche.

Alle bisherigen Bemühungen gen Gendersensibilität sind durch durch die archaischen Machenschaften der Hirsche, aber auch anderer Tierarten gefährdet, den die Rechtspopulisten, die ewig Gestrigen und Zuhälter könnten das Verhalten der rückständigen Hirsche als Rechtfertigung für ihre Verbrechen missbrauchen.

Aber lieber Leser_innen: Ihr könnt aufatmen. Es gibt ein Pilotprojekt im Nationalpark Eifel, das eine genderfreundliche Umgebung schafft und alle Anzeichen von Geschlechterunterschieden austilgt. Der Leitfaden diese Projektes lautet:

Gendersensible Öffentlichkeitsarbeit in Nationalparken bedeutet, die unterschiedlichen
Interessen und Lebenssituationen von Frauen und Männern bei der Gestaltung von
Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit zu berücksichtigen. Sie ist so gestaltet, dass sie
beide Geschlechter gleichermaßen anspricht und für beide in gleicher Weise zur Verfü-
gung steht. Außerdem soll sie die Aktivitäten und Leistungen von Frauen und Männern
im Nationalpark gleichgewichtig präsentieren.

Insbesondere der letzte Satz berührt mich und zeigt, das engagierte Gender-Wissenschaftler_innen alles dafür tun die Welt ein Stück gerechter zu machen, den mir persönlich war es schon immer sehr wichtig, dass die Aktivitäten und Leistungen von Frauen und Männern im Nationalpark gleichgewichtig präsentiert werden.

An dieser Stelle möchte euch Leserinnen Teile dieser Abschlussarbeit präsentieren:

...

Da die geforderte konsequente Umsetzung dieser Grundregeln, insbesondere die durchgängige
Verwendung weiblicher und männlicher Formen, dazu führen kann, dass ein Text an
Lesbarkeit verliert, werden geeignete Entlastungsstrategien aufgezeigt. In Bezug auf die
gendersensible Verwendung von Bildmaterial wird gezeigt, wie Bildmaterial so ausge-
wählt werden kann, dass Männer und Frauen, ihre Aktivitäten und Leistungen sichtbar
gemacht und gleichgewichtig dargestellt sowie die unterschiedlichen Interessen von
Männern und Frauen berücksichtigt werden.

...

Daran anknüpfend werden beispielhaft zielgruppenspezifische Vermittlungs-
konzepte, insbesondere in Bezug auf zwei „problematische“ Zielgruppen, einheimische
Männer und Jugendliche, vorgestellt.

...

bei Printmedien mit mehreren Bildern sollte darauf geachtet wird, dass über alle Bilder hinweg
(Bilder mit Einzelpersonen und mit Gruppen), Frauen und Männer in einem ausgewo-
genen Verhältnis vorkommen. Bei Printmedien mit nur einem Bild wie beispielsweise
Pressemitteilungen, bietet es sich an, ein Bild zu wählen, das entweder gemischte Grup-
pen oder keine Menschen zeigt.

...

Die Erprobung zeigte darüber hinaus, dass Gender
Mainstreaming auch bei Tiermotiven relevant ist: so sollte insbesondere bei Bildern von
Paarhufern (Hirsche, Rehe und Wildschweine) darauf geachtet werden, dass die männ-
lich dominierte Jägerbildsprache (z.B. „kapitaler Hirsch bei der Brunft“ oder „dicker
Keiler im Unterholz“) als ausschließliche Darstellungsform vermieden und stattdessen
eine Vielfalt an unterschiedlichem Bildmaterial verwendet wird.


Wer mehr von diesem spannenden Bericht lesen möchte: Link.

Was können wir daraus lernen: Kein Mensch ist besser als ein Mensch und brutales Machogehabe der Männchen soll nicht verherrlicht werden. Aber es gibt noch viele weitere interessante Erkenntnisse, die ich nicht im einzelnen aufführen will. Tipp: einfach lesen.

Dieser Artikel hat mich dazu inspiriert das Gendersensible Wörterbuch zu schreiben.

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